Motivation
Das LifeClipper2-System ist eine prototypische Anwendung im Bereich „Outdoor Augmented Reality“. Eine exemplarische Verwendung des Systems, die innerhalb des Projekts getestet wurde, ist die Beurteilung von (landschafts-)architektonischen und urbanen Planungen.
Die Beobachtung und Befragung von Personen, welche das System benutzten, waren folgendermassen motiviert: Es sollen grundsätzlich die Akzeptanz des Systems in einem realen, stadtplanerischen Kontext befragt und Hinweise auf mögliche weitere Einsatzgebiete aber auch Mängel des Systems identifiziert werden.
Versuch
Die Untersuchung wurde mit insgesamt 13 Personen durchgeführt, die jeweils ca. 45 Minuten das System benutzten. Die Testpersonen erhielten die Aufgabe, das Planungsmodell in einer Augmented Reality-Darstellung zu betrachten, sich dabei einen Weg durch das Modell zu wählen und im Anschluss den zurückgelegten Weg in einem Plan einzuzeichnen. Die Personen wurden zudem gebeten, ihr Tun zu kommentieren (think aloud); die Aussagen wurden protokolliert und zusätzlich mit einer Audioaufnahme festgehalten.
Der Test wurde mit einem Fragebogen abgeschlossen, der im wesentlichen drei Punkte befragte:
a) Wirkung: Wie gut konnten die Personen einen Eindruck der Planung gewinnen und wie real wurde sie erlebt?
b) Technik: Als wie ausgereift/benutzbar wird die Technologie beurteilt?
c) Anwendbarkeit: Wie gut können sich die Testpersonen vorstellen, Planungen ausschliesslich in AR zu beurteilen oder für bestimmte Aufgaben AR-Darstellungen einer konventionellen Planansicht zu bevorzugen?
Die Untersuchungen wurden im Bereich der Umgestaltung des Basler Rheinhafens durchgeführt, basierend auf dem Projektvorschlag „Undine“.
Getestet wurde mit Hilfe des aktuellen Hardwaresettings. Softwareseitig wurde auf die Benutzerinteraktion mit Maus resp. Menüführung verzichtet und ein reiner Walkthrough in dem AR-Modell durchgeführt.
Ergebnisse
Alle Benutzer konnten die Aufgabe durchführen und haben dabei die volle Zeitdauer zur Begehung mit dem System benutzt. Die Antworten entlang des Fragebogens lagen mehrheitlich im Bereich von „trifft eher zu“ (zwischen 3.6 und 4.0 auf einer Scala von 1 bis 5), sowohl für die Qualität der Wirkung des Systems als auch für die technische Umsetzung. Die mögliche Anwendbarkeit des Systems wurde dabei tendenziell besser beurteilt (4.2) als die Qualität der technischen Umsetzung (3.6).
Zudem lässt sich feststellen, dass Benutzer des Systems mit Vorwissen zum Projektwettbewerb (bestehende Kenntniss der originalen Orts oder der Planungsunterlagen) die Qualität der technischen Umsetzung in der Tendenz kritischer beurteilten als Benutzer die keine Vorwissen zum Ort oder der Planung hatten(3.0 gegenüber 3.9), während die Einschätzung der möglichen Anwendbarkeit des Systems ähnlich ist.
Die Aussagen der Benutzer während des Rundgangs (think aloud) betrafen zur Hauptsache technische Mängel der prototypischen Umsetzung. Insbesondere Probleme des Systems auf Grund von zu grossen Abweichungen des Trackings und die Spiegelung im Head Mounted Display (HMD) bei seitlich einfallendem Sonnenlicht wurden häufig erwähnt. Qualitative Aussagen zu der dargestellten Szenerie wurden vergleichsweise seltener gemacht.
Schlussfolgerungen
Es lässt sich grundsätzlich feststellen, dass die Akzeptanz des Gesamtsystems und die Einschätzung zur möglichen Anwendbarkeit des Systems, trotz bestehender Einschränkungen durch die Technologie, ausgesprochen hoch sind. Dadurch wird die mögliche Anwendbarkeit des Systems von den Benutzern weitgehend sehr positiv beurteilt. Dies ist trotz schwieriger externer Bedingungen wie Wettereinfluss (starke Sonneneinstrahlung, Hitze), dem Gewicht und der Grösse des Hardwareprototyps (7 kg) und der langen Dauer des Rundgangs von ca. 45 Minuten, der Auswahl der Testpersonen etc., der Fall. Eine ähnliche Studie zur allgemeinen Akzeptanz eines komplexen AR-Systems in den letzten fünf Jahren ist nicht bekannt.
Während die Technologie des Prototyps zwar vorwiegend positiv beurteilt wird und kein Hindernis für eine hohe Akzeptanz des Gesamtsystems darstellt, ist sie bei einem ersten Kontakt noch nicht vollständig transparent für die Benutzer. Dies ist der Fall, obwohl die gestellte Aufgabe (Wegfinden im Terrain) keine vorwiegend technische Fragestellung enthält. Fast ausschliesslich wurde spontan die technologische Umsetzung des LifeClipper2-Systems von den Benutzern thematisiert, qualitative Aussagen zur Planung, also zum Inhalt des Szenarios „ArchiViz“, waren dagegen seltener oder fehlten fast ganz.
Ausblick
Die Verwendung des Systems ist zur Zeit nur mit einer Begleitperson möglich, die in gefährlichen Verkehrssituationen oder bei schwierigem Gelände eingreifen kann. Wünschenswert ist eine Adaption des Systems, so dass sehr schnell und einfach zum Realbild gewechselt werden kann und der Nutzer dadurch alleine unterwegs sein kann.
Die qualitative Bewertung eines Parks wie im vorliegenden Falle ist grundsätzlich und unabhängig von einer Technologie eine sehr anspruchsvolle Aufgabe; eine konkrete Aufgabenstellung für ein solches Untersuchungssetting zu finden entsprechend schwierig. Die Herausforderung liegt u.a. in der Grösse des zu beurteilenden Gestaltungsgegenstandes, im vorliegenden Fall der Park. Es wäre deshalb naheliegend, eine entsprechende Untersuchung mit kleineren Objekten durchzuführen.
Im Verlaufe der Untersuchungen fiel auf, dass in der retrospektiven Beurteilung (einige Tage nach der Begehung) es für Testpersonen schwierig wurde, reale und virtuelle Objekte der Planung sauber auseinanderzuhalten. Es scheint so, dass während der Begehung diese Unterscheidung den Testpersonen recht einfach erscheint, in der retrospektiven Raumvorstellung jedoch reale und virtuelle Gegenstände nicht mehr unterscheidbar sind.